Von Anfang an

Noch weniger als eine Woche. Noch 6 Tage bis ich in den Flieger steige um 9.846 km zu überqueren, den europäischen Kontinent verlasse und mein Abendteuer Südafrika beginne.

 

Aber lasst mich doch erst mal von vorne beginnen und euch erzählen was davor schon alles passiert ist.

Dafür müsste ich chronologisch eigentlich im Frühjahr 2017 anfangen, wo ich das erste Mal darüber nachgedacht habe, was ich nach meinem Abi machen möchte.

Ich weiß, sich zweieinhalb Jahre im Voraus darüber Gedanken zu machen, was in einem so weit in der Zukunft liegendem Datum passiert könnte hört sich zu geplant an. Aber mein 16 jähriges Ich wusste nicht, was es überhaupt für Möglichkeiten gibt, um für ein Jahr ins Ausland zu gehen (abgesehen von Schüleraustauschen und Aupair) und wann die Fristen für die Bewerbungen enden.

Also habe ich angefangen mich zu informieren und bin relativ schnell auf weltwärts gestoßen (wem das jetzt nichts sagt, mir vorher übrigens auch nicht), kann bei "Meine Organisation" mehr darüber nachlesen.

 

Aber durch das große Angebot der Länder war ich in dem Moment überfordert. Dadurch das für das Auslandsjahr 2019/2020 die Anmeldefristen meistens im Herbst 2018 endeten, oder sogar erst anfingen, konnte ich das Thema erstmal ruhen lassen und mir darüber klar werden, was ich eigentlich genau machen wollte.

Langsam wurden mir dann mehrere Sachen klar: ich wollte raus aus Europa. Ich wollte mit Kindern arbeiten und ich wollte in ein Land, wo mindestens zum Teil die Amtssprache Englisch ist.

Da ich kein Spanisch oder andere Sprachen spreche, außer natürlich deutsch und englisch (lässt man mal die geringen meiner mühsam erlernten Französischkenntnisse aus) und ich mir es ziemlich schwer vorstellte noch auf den letzten Drücker diese zu lernen, schieden Südamerika und der Großraum Asiens schon mal aus. Größtenteils, weil sogar in manchen Ländern Englisch als Arbeitssprache erforderlich gewesen wäre und man sich dort dann doch verständigen hätte können und dann vor Ort wenigstens ein bisschen die Landessprache zu lernen.  

Dadurch verkleinerte sich die mögliche Länderauswahl erheblich. Am Schluss habe ich mich dann, wie ihr vermutlich mitbekommen habt, für Südafrika entschieden. Ich weiß gar nicht mehr, was der ausschlaggebende Punkt in meinem Prozess gewesen ist, aber mich reizt auch jetzt noch die völlig neue Kultur, der neue Kontinent (ich war bis jetzt noch nie in Afrika) und vielleicht auch einfach die Distanz.

 

Da mein Wunschland nun für mich feststand, konnte ich anfangen nach Organisationen zu suchen, die am weltwärts-Programm teilnehmen und nach Südafrika entsenden.

Ich habe mich im Endeffekt bei mehreren Organisationen beworben, aus Angst, dass mir welche nicht gefallen oder ich einfach nicht genommen werde. Aber auch, um wenigstens ein bisschen das Gefühl zu haben, mich bewusst für eine Sache selber entscheiden zu können. Mit der Zeit stellte sich das als eine sehr gute Idee heraus, da mir manche Organisationen mit ihren Projekten beim zweiten Blick doch nicht mehr so gut gefielen.

 

Insgesamt war ich bei drei Auswahlgesprächen in verschiedenen Städten. Mein letztes war mit meiner Entsendeorganisation

SAGE Net. Im Dezember 2018 wurde ich nach einem Telefoninterview nach Berlin eingeladen. Ohne das sich das jetzt klischeehaft anhört, oder so, als ob das jetzt hier klassisch stehen müsste, aber ich habe mich sofort willkommen und  wohl gefühlt.

Nicht das es jetzt so rüber kommt, dass es bei den anderen Gesprächen schrecklich war, aber richtig beschreiben kann ich das Gefühl nicht. Mir war nach dem Auswahltag klar, dass falls ich eine Zusage von SAGE Net bekommen sollte, ich dieses Angebot annehmen würde. Und diese Zusage kam kurz vor Weihnachten. Und um ehrlich zu sein, das war das schönste vorträgliche Weihnachtsgeschenk, dass ich an diesem Weihnachten bekommen konnte. Dazu ist ein Druck von mir abgefallen, von dem ich nicht einmal wusste dass er da gewesen war. Die Gewissheit, zu wissen, dass ich einen festen Plan habe und ich angenommen wurde hat es das erste Mal möglich gemacht, dass ich mich auf das kommende Jahr endlich freuen konnte. Denn ich hatte nicht nur ein Ziel vor Augen, sondern es war greifbar geworden.

 

Ab Weihnachten haben für mich dann eigentlich die Vorbereitungen angefangen, jedenfalls zum Teil. Denn Teil eins, der Größte und auch Wichtigste, ist der Aufbau eines Förderkreises. Durch den Förderkreis kommen für den Freiwilligen die nötigen Spenden zusammen, welche für das weltwärts-Programm notwendig sind. Heißt, eine stattliche Summe von 2800€. Dazu muss jedoch gesagt werden, dass das die einzige Eigenbeteiligung ist und man davon seine Unterkunft bezahlt bekommt, Taschen – und Verpflegungsgeld erhält. An dieser Stelle nocheinmal einen herzlichen Dank an alle, die mein Projekt mit Spenden unterstützt haben.

 

Um ehrlich zu sein, weiß ich jetzt die genaue Reihenfolge der ganzen Sachen nicht mehr genau, aber der nächste Schritt war die unzähligen Dokumente für die Visumsbeantragung zusammen zu bekommen. Hieß, ich musste zu verschiedenen Ärzten, damit mir zum Beispiel bestätigt werden konnte, dass ich nicht an Tuberkulose erkrankt bin oder ähnliches.

Termine beim Bürgeramt um meinen Reisepass und ein Führungszeugnis zu beantragen und und und.

Diese ganzen Sachen während der letzten Schulwochen und in der Abilernzeit zu erledigen war stressiger als gedacht.

 

(fast) Alle SAGE Net Freiwilligen
(fast) Alle SAGE Net Freiwilligen

Währenddessen kam von SAGE Net immer mehr Infomails mit Dokumenten und Infos zum Vorbereitungsseminar im Juni 2019.

Ich buchte meine Zugtickets, lerne für die Prüfungen, bekam meine schriftlichen Abiturergebnisse, lernte für meine letzte mündliche Prüfung, brachte auch diese hinter mich und fünf Tage später ging es los zum Vorbereitungsseminar ins „exotische“ Wünsdorf, ein Dorf, welches eine Zugfahrtstunde von Berlin entfernt ist.

Einerseits freute ich mich riesig alle kennen zu lernen, bis auf ein paar Leute vom Auswahltag kannte ich nämlich noch niemanden, aber anderseits war ich auch aufgeregt, nervös und ja, vielleicht auch ein wenig skeptisch. 10 Tage mit völlig fremden Menschen 24/7 zusammen zu sein. Über die verschiedensten Dinge, auch persönliches zu reden, ich stellte mir das schwer vor.

Was wenn ich die ganzen Menschen nicht mögen würde, mir während des Seminars Zweifel an dem ganzen FSJ aufkommen würden, da es bisher nicht so präsent und real durch die ganze Abizeit gewesen war? Aber den Anderen ging es bestimmt ähnlich.

 

Mit Mehreren traf ich mich dann bereits am Berliner Hbf. um zusammen mit dem Regio nach Wünsdorf zu fahren. Und ich kann euch versichern, dass allein schon diese Zugfahrt mir viele Zweifel genommen hat.

Keiner kannte sich vorher, wir saßen alle im gleichen Boot und wir hatten alle die Chance uns kennen zu lernen.

Alle Eastern Cape Freiwilligen
Alle Eastern Cape Freiwilligen

Um euch jetzt nicht mit den exakten Details des Seminars zu bombardieren, denn es gibt noch viel zu schreiben und ich merke schon, dass dieser Eintrag schon viel zu lang wird, fasse ich das Seminar inhaltlich kurz zusammen.

Bis auf den ersten Tag, der nur fürs ankommen und kennenlernen vorgesehen war, hatten wir jeden Tag Programm.

Wir sprachen über das Visum, unseren Platz in der Welt, der noch durch einen Lernausflug über die Kolonialgeschichte nach Berlin unterstützt wurde. Über Rassismus, unseren Förderkreis, HIV und Aids, Sicherheit und vieles mehr.

Ehemalige Freiwillige kamen uns besuchen um uns von ihrem Jahr und ihren Erfahrungen zu berichten. Wir hatten die Chance uns mit Südafrikanern zu unterhalten, die auch am weltwärts-Programm (weltärts gibt es auch andersrum) teilnehmen und auch in Wünsdorf ein Seminar hatten.

Wir haben eine Stadtreally in Berlin gemacht, waren auf dem großen Wünsdorfer See Kanufahren undundund.

Der Wünsdorfer Badesee
Der Wünsdorfer Badesee

Es fühlt sich an, als ob meine kurze Beschreibung dem Seminar gar nicht gerecht werden würde, denn es ist so viel mehr als die kurze Schilderung passiert.

Inhaltlich, mit mir selber, aber auch unsere Guppenbildung.

Hätte jemand mir vor dem Seminar erzählt, wie schnell wir als Gruppe zusammenschweißen würden, hätte ich demjenigen niemals geglaubt. Aber während der Mittagspausen, die wir eigentlich fast immer am See verbracht haben, weil das Wetter mit seinen fast jeden Tag über 30° Grad sonst nicht ertragbar gewesen wäre, oder den lustigen Abenden, die wir entweder am Lagerfeuer, am See, im Hobbykeller, mit Kartenspielen oder noch mit vielem mehr verbrach haben, sind wir immer mehr zusammengewachsen.

 

 

Da das Seminar alleine nicht genug war, hatte ich in diesem Zeitraum noch meine Zeugnisverleihung und meinen Abiball. Und das nicht mal an einem Tag, hieß für mich also pendeln.

Mindestens drei Stunden für eine Fahrt.

 

Karten spielen im Hobbykeller
Karten spielen im Hobbykeller

Als die 10 Tage Seminar vorbei waren und alle nach Hause gefahren sind, war es einerseits sehr traurig Abschied zu nehmen, da man trotz dieser kurzen Zeit stark zusammengewachsen ist, aber anderseits war unser Abschiedsmotto „Wir sehen uns alle spätestes an Weihnachten wieder!“, wodurch man sich bereits darauf freuen durfte.

 

Am nächsten Tag ging es dann für mich noch einmal nach Berlin. Mein letzter großer Schritt für das kommende Jahr, nämlich die Beantragung meines Visums. Wir wurden bereits beim Seminar darauf vorbreitet, dass kleinste Gründe den Mitarbeitern reichen würde, um das Visum abzulehnen.

Auf dem Weg dann zur Botschaft habe ich dann bemerkt, dass auf einem Dokument ein Fehler vorhanden war, und zwar wurde bei der Adresse meiner Einsatzstelle nicht Port Elizabeth als Einsatzort genannt, sondern eine ganz andere Stadt. Ich habe es trotzdem versucht, in der Hoffnung, dass es vielleicht überlesen werden würde, wurde es aber nicht.

Hieß für mich, dass ich nach langem hektischem telefonieren mit der SAGE Net Zentrale mein abgeändertes Dokument in einem Copyshop ausdrucken musste und kurz vor den Schließzeiten der Botschaft das geäderte Dokument einreichen durfte.

Weitere Fehler wurden anscheinend nicht gefunden, denn ca zwei Wochen später hatte ich mein Visum dann im Briefkasten

 

Zuhause dann wieder angekommen, konnte ich erstmals den ganzen Input der letzten 10 Tage verarbeiten. Und das war eine Menge. Der normale Alltag war in den Hintergrund gerückt und im Vordergrund stand Südafrika und die neuen Leute kennen lernen.

Alles andere war eher nebensächlich. Zuhause wurde mir dann erst vollständig bewusst, was mich das Jahr über erwarten würde, bzw. teilweise, meine Vorfreude stieg, aber auch die Nervosität, denn es war nicht mehr lange bis zum Abflug.

 

Vor zwei Wochen haben wir dann die Nachricht bekommen: British Airways streikt! Und dass an dem Tag, wo wir losfliegen sollten. Bedeutet für uns sechs Tage länger in Deutschland, aber auch sechs Tage weniger in Südafrika.

 

Aber jetzt stehen für mich die letzten Vorbereitungen an. Die letzten Treffen mit meinen Freunden. Zeit mit meiner Familie.

Meine Packliste wird immer länger. Südafrika rückt immer näher, wird realer. Vor allem auch dadurch, dass Ende August die ersten Freiwilligen von SAGE Net nach Südafrika geflogen sind und die Port Elizabeth Freiwilligen die Einzigen sind, die noch in Deutschland sind.

 

Einerseits werde ich vieles hier in Deutschland vermissen und das liegt vor allem an meinen Freunden und meiner Familie.

Anderseits fühle ich mich manchmal wie ein Flummi und kann es kaum erwarten, dass es losgeht.Ich freue mich auf das Neue, das neue Unbekannte, aber auch auf die tollen Menschen, die ich während des Vorberietungsseminars kennen lernen durfte und die jetzt über ganz Südafrika verteilt sind. Ich freue mich Alle vor Ort wieder zu sehen und die bereits gesammelten Erfahrungen teilen zu können.

 

Trotz des Vorbereitungsseminars starte ich mit vielen Fragen in das Jahr. Fragen die ich vielleicht nach diesem Jahr beantworten kann. Antworten, die ich zusammen mit euch teilen werde, aber auch Fragen, die ich vielleicht auch nur für mich alleine beantworten kann.

 

 

Bis nächstes Mal, dann aus Südafrika.

 

Amelie